31. SONNTAG im Jahreskreis
Allerheiligen

Lesungen: 1 Joh 3,1-3 - Mt 5,1-12a

Gedanken zum Fest

Möchten Sie ein Heiliger/eine Heilige sein? Ich bin mir sicher, dass sich jetzt bei vielen von uns sofort ein innerer Widerstand regt. Für viele sind Heilige eine Art Übermenschen, vollkommene Menschen, die über unserem „normalen“ Leben stehen und weltfremd sind. Deswegen diese Zurückhaltung: Wer so vollkommen sein will, wird schnell ein Scheinheiliger.

Hat aber „heilig sein“ etwas mit Vollkommenheit, fehlerfrei, moralisch makellos sein, zu tun? Dann hätte es nie Heilige gegeben, denn Menschen sind ihrem Wesen nach nicht vollkommen und fehlerfrei. Das Problem liegt bei unserer Vorstellung von „Heilig-Sein“. Heilig (sakral) ist das Gegenteil von „Profan“. Profan heißt: rein weltlich, ohne Beziehung zur Welt Gottes. Heilig ist alles, was zu Gott, zu seiner Welt gehört. Deswegen sind Heilige Menschen, die bewusst mit Gott, auf Gott hin leben. Sie fühlen sich Gott zugehörig. Um es mit den Worten aus dem 1. Johannesbrief zu sagen (heutige 1. Lesung): Sie fühlen sich wirklich wie Kinder Gottes. Für sie ist Gott wirklich ihr Vater. Sie fühlen sich wirklich mit ihm verbunden und von ihm geliebt. Und deswegen versuchen sie kompromisslos und konsequent im Sinne von Jesus Christus und deswegen im Sinne Gottes zu leben.

Viele Menschen, die in diesem Sinne „heilig“ waren, waren sogar bereit, ihr Leben dafür aufs Spiel zu setzen und hinzugeben. Großartige Menschen haben nicht ohne Versagen und Fehler gelebt, aber sie haben sich mit ihren Schwächen und Stärken ganz Gott anvertraut, ihr ganzes Vertrauen auf ihn gesetzt. Deswegen sind sie für uns Vorbild, d.h. „nachstrebenswert“.

Heilige sind also selbstbewusste, überzeugte Christen. Es sind Menschen, die sich nicht mit dem zufrieden geben, wie die Welt und die Menschen in ihr sind. Menschen, die sich von ihrer inneren Stimme leiten lassen, von der Stimme Gottes. Sie haben eine Vision von einer anderen Welt, von einem erfüllten Leben mit Gott, vom Reich Gottes. Dafür setzten sie sich mit aller Kraft, mit ihrem Leben ein. Menschen mit solchen Visionen braucht die heutige Welt extrem dringend.

Heute feiern wir das Fest Allerheiligen! Das Evangelium mit den uns bekannten „Seligpreisungen“ sagt uns, wer mit Heiligen gemeint sind: Es sind die, die arm sind vor Gott und sich nichts einbilden; diejenigen, die keine Gewalt anwenden; die hungern nach Gerechtigkeit, sich für Gerechtigkeit einsetzen, auch wenn sie deswegen verfolgt werden; Menschen, die barmherzig zu ihren Mitmenschen sind; die ein reines, ehrliches Herz haben; die Frieden stiften.

Aber dieses Evangelium sagt uns andererseits so auch etwas ganz Wichtiges über Gott selbst. Mit seinen „Seligpreisungen“ bietet Jesus uns ein revolutionäres Bild von Gott an. Er preist z.B. die Armen glücklich. Zur Zeit Jesu gab es aber die allgemein verbreitete Meinung: Armut, Krankheit, Behinderung sind eher eine Strafe Gottes! Wem es im Leben – auch materiell - gut geht, genießt Gottes Segen. Wem es schlecht geht, muss sich gegen Gott versündigt haben. Denken wir an diesen Blindgeborenen, wo die Jünger Jesu fragen: „Hat er gesündigt, oder waren es seine Eltern?“ Jesus sagt dann ganz kategorisch: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt!“ Diese Behinderung ist also keine Strafe Gottes. Im Gegenteil: Gott ist einer, der ein Herz hat für arme, schwache, fehlerhafte, ja sündige Menschen. Er steht auf der Seite von denen, die in dieser Welt nichts gelten. So ist Gott! Jesus stellt also die damalige Gottesvorstellung auf den Kopf. Mit einem uns bedingungslos liebenden Gott lässt sich leben, in Freude und Dankbarkeit. Zu so einem Gott möchte ich gehören. Ich möchte immer mehr „heilig“ werden.

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